Als allein reisende Frau in China
Als allein reisende Frau hielt ich es für das Beste, mich einer Reisegruppe anzuschließen, um mir meinen langgehegten Traum zu erfüllen, China zu bereisen. Ich hatte nun die Wahl zwischen einer Reise über und durchs Land und einer Rundreise von Shanghai über Peking nach Xian zur weltberühmten Terracotta-Armee. Man kann ja erst mal langsam anfangen, habe ich mir gedacht, und habe mich für die Städtereise entschieden. Die Gruppe, mit der ich die kommenden 10 Tage verbringen sollte, fand sich am deutschen Abflughafen zusammen. Es waren allesamt freundliche und angenehme Leute und zu meiner Freude waren auch einige allein Reisende dabei. Der Kontakt war schnell hergestellt, und während des 10-stündigen Fluges nach Shanghai ergab sich schon so manches nettes Gespräch.
In Shanghai gelandet mussten wir erst das etwas mühselige Einreiseprocedere über uns ergehen lassen. Aber schließlich durften wir das Flughafengelände verlassen und betraten chinesischen Boden. Zum Glück wurden wir gleich von Wolfgang in Empfang genommen. Wolfgang hieß in Wirklichkeit Chen oder so ähnlich, wollte aber unbedingt von uns Wolfgang genannt werden. Er freute sich sichtlich über die deutsche Reisegruppe, und wortreich erklärte er uns, wie sehr die Chinesen die Deutschen mögen. Ehe wir uns versahen, saßen wir im schnellsten Zug der Welt und fuhren mit unglaublichen 438 km/h die restliche Strecke nach Shanghai. Unser Gepäck wurde inzwischen vom Bus zum Hotel gebracht, d.h. bis auf einen Koffer. Dieser eine Koffer blieb am Flughafen und gehörte einer mitreisenden Dame, die den Verlust am Abend bemerkte. Wolfgang, der Retter in der Not, holte das fehlende Gepäck höchstpersönlich und alles war wieder im Lot. Die Besichtigung von Shanghai war ein unglaubliches Erlebnis. Ich war nach China gereist, um chinesische Kultur kennen zu lernen. Was ich aber am ersten Tag sah, waren Hochhäuser, Technik, Moderne, Lärm. Die Chinesen gingen in westlicher eleganter Kleidung ihrem Business nach, denn Business und Erfolg ist das Ziel der Shanghaier Bevölkerung. Man will mit aller Macht an den Westen heran reichen, will ihn eigentlich übertrumpfen. China ist eine aufstrebende Wirtschaftsmacht, und nirgendwo in China spürt man das mehr als in Shanghai. Nach zwei Tagen Lärm und Hektik war ich direkt froh, wieder ins Flugzeug steigen zu können, um nach Peking zu fliegen.
Der Unterschied könnte nicht größer sein. Hinter uns die Moderne, vor uns die Tradition. Peking ist zwar ebenfalls eine moderne, teils westlich orientierte Stadt, aber die Ehrfurcht vor der eigenen Geschichte ist überall zu spüren. Natürlich besichtigten wir den Kaiserpalast mit der Verbotenen Stadt. Nicht erst seit dem Spielfilm „Der letzte Kaiser“ interessierte ich mich ganz besonders für die Palastanlage und so war für mich dieser Tag einer der Höhepunkte der Reise. Ein weiterer Höhepunkt war ein Besuch der weltberühmten Peking Oper. Ich könnte nicht gerade behaupten, dass die gehörten Töne fortan zu meiner Lieblingsmusik gehörten, aber darum ging es ja auch gar nicht. Peking Oper, das ist ein Zusammenspiel von überlieferten Bewegungsabläufen, von Symbolik getragen, die uns westliche Besucher auf den ersten Blick verborgen bleiben. Der Gesang ist vermutlich nur für chinesische Ohren melodisch, vor allem aber haben die Tanz- und Gesangsszenen sowie besonders auch die Kostüme und Masken alle ihre Bedeutung. Für mich war dieser Abend ein Highlight, nicht der Musik wegen, sondern weil ich ein kleines aber wesentliches Stück chinesischer Kultur erleben durfte. Nun ging die Reise weiter nach Xian zur Terracotta-Armee. Natürlich hätte man auch fliegen können, aber das Reiseunternehmen dachte sich wohl, eine Reise im Nachtzug ist nicht nur preiswerter sondern für die Touristen auch interessanter. Interessant war die Reise im überfüllten Zug aber auch für die chinesischen Reisenden. Denn diese zeigten unverhohlen ihre Neugierde gegenüber uns Langnasen. Wir fuhren die ganze Nacht durch die Dunkelheit und konnten daher vom Land nichts sehen. Mancher mutmaßte, das sei mit Absicht geschehen, denn den westlichen Touristen wolle man nur die schönen Seiten Chinas zeigen. Wie dem auch sei, am Morgen kamen wir übermüdet in Xian an, aber statt uns in einem Hotel erfrischen zu können, ging es fast im Galopp zu allen Sehenswürdigkeiten der Stadt. Erst am nächsten Tag stand ich dann endlich vor den Tonsoldaten und staunte. Zum Glück durften wir von Xian nach Peking per Flugzeug reisen, von dort über Shanghai wieder nach Deutschland.